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Papiertüten & Co – Verschiebung der Ressourcenverschwendung?

Es bewegt sich etwas in Deutschland und es ist ein Anfang. Plastiktüten sollen verschwinden. Doch löst das wirklich die Umweltprobleme? Alternativen zu Plastiktüten sind im Vergleich nicht immer ökologischer. Der Anteil der Plastiktüten macht nur einen Bruchteil der Kunststoffabfälle aus. Ist nicht generell der Plastikkonsum bei Verpackungen das Problem?

REWE nimmt ab Juli Plastiktüten aus dem Sortiment. Das klingt zunächst klasse. Dann gibt es nur noch Papiertüten, Baumwollbeutel und stabile Mehrwegtragetaschen aus Recyclingmaterial. Der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) und Umweltministerin Barbara Hendricks freuen sich über die Entscheidung, das REWE Plastiktüten aus dem Sortiment nehmen will. Hendricks gibt aber auch zu, dass „Papiertüten ökologisch gesehen nicht unbedingt besser dastehen“, es ginge ihr aber um das Signal. REWE wird bereits seit 2009 vom NABU in Sachen Nachhaltigkeitsmanagement beraten und begleitet.

Wichtig ist jetzt, dass die Verbraucher nicht bei jedem Einkauf einen Baumwollbeutel kaufen oder eine Papiertüte, denn damit ist ökologisch gesehen keine Besserung in Sicht. Einer Befragung der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) nach verwendeten 2014 bereits 40 % der befragten Deutschen Einkaufskörbe, Klappkisten und wiederverwendbare Taschen. 37 % tätigten die Einkäufe mit einer Plastiktüte, die schon einmal benutzt wurde. Papiertüten wurden von 3 % der Befragten genutzt und Plastiktüten im Erstgebrauch machten einen Anteil von 9 % aus.

Das bedeutet im Umkehrschluss, wenn der Verkauf von Papiertüten und Baumwollbeuteln steigen würde, wird sich auch die Ökobilanz verschlechtern, da für die Herstellung der oben genannten Alternativen viel mehr Energie und Wasser benötigt wird. Erst nach mehrmaligem Tragen schneiden Papiertüten und Baumwollbeutel besser ab als Plastiktüten.

Papiertüten verbrauchen mehr Energie, Wasser und Chemikalien

Bei der Herstellung von Papiertüten wird 17 mal mehr Wasser benötigt als bei der Herstellung der gleichen Menge Plastiktüten. Auch hinsichtlich des Energieverbrauchs schneiden Papiertüten wesentlich schlechter ab. Die deutlich höhere Belastung von Luft und Wasser bei der Herstellung stellt ebenfalls ein Problem dar, da mehr Chemikalien zum Einsatz kommen, mit denen die Zellstofffasern behandelt werden. Auch die Wiederverwendbarkeit von Papiertüten ist fraglich, da diese weniger reißfest und wasserbeständig sind als andere Materialien.

Warum auch biobasierte Tüten nicht besser sind als Plastiktüten aus fossilen Rohstoffen

Zunächst erscheint die Verwendung „kompostierbarer“ Plastiktüten ökologischer. Doch so einfach ist das nicht. Die erste Gefahr bei kompostierbaren Tüten ist, dass diese die Menschen dazu verleiten könnten, die Plastiktüten in die Natur zu werfen, da sie ja verrotten.

Zudem werden in deutschen Kompostierwerken die Bioplastiktüten, die du vielleicht von Müllbeuteln kennst, genau wie anderes Plastik aussortiert und kommen in die Müllverbrennung. Das Bioplastik kann bei dem Verrottungsprozess einfach noch nicht mithalten – und einen Humus mit Plastikbestandteilen möchte niemand kaufen, denn die biobasierten Tüten bestehen meist nur zu einem Teil aus nachwachsenden Rohstoffen. Problematisch ist auch der Maisanbau, denn diese Tüten werden oft aus Maisstärke hergestellt. Aldi und REWE haben daher auch auf Drängen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ihre Biotüten aus dem Sortiment genommen.

Baumwolltasche bei der Herstellung hohe Kohlendioxidemissionen

Eine Untersuchung der Federal Laboratories Material Testing und Research der Eidgenössischen Hochschule Zürich ergab, dass bei der Produktion einer Baumwolltasche 1.700 Gramm Kohlendoxid freigesetzt werden, während bei der Produktion einer Papiertüte nur 60 Gramm Kohlendioxid und bei einer Plastiktüte aus Neugranulat 120 Gramm freigesetzt werden.

Wie man es dreht und wendet, der gute alte Einkaufskorb ist vermutlich die umweltfreundlichste Alternative. Für Spontankäufe habe ich immer einen Jutebeutel von der Marke Westford Mill dabei. Dieser Jutebeutel ist, glaube ich, kein Fair Trade Produkt, aber Westford Mill bietet auch andere Beutel mit dem Siegel Fair Trade an. Er hält schon fast zwei Jahre, tut seine Dienste und ist aufgrund der langen Einsatzzeit auch viel ökologischer als die Einwegplastiktüte.

Plastiktüten haben nur einen geringen Anteil am Kunststoffverbrauch in Deutschland

Der Anteil der Plastiktüten am gesamten Kunststoffverbrauch in Deutschland beträgt gerade einmal 0,7 %. Das Verbot von Plastiktüten ist laut Spiegel Online sozusagen eher Symbol eines Problems als Hauptverursacher. Die EU-Mitgliedsstaaten verpflichten sich den Pro-Kopf-Verbrauch auf durchschnittlich 90 Plastiktüten zu senken. Somit erfüllt Deutschland die Vorgabe für 2019 bereits heute – der Verbrauch in Deutschland liegt bei 71 Tüten pro Jahr. Bis 2026 soll der Verbrauch auf 40 Tüten pro Kopf reduziert werden. Du kannst viele Einzelheiten zum Plastiktütenverbrauch, auch in anderen Ländern, in einem vorherigen Beitrag von mir nachlesen.

Plastik ist ein Entsorgungsproblem

Fakt ist, dass wir nur mit dem Verbot von Plastiktüten und der möglicherweise drohenden Verschiebung der Ressourcenverschwendung nicht das erreichen werden was wir eigentlich wollen – die Umwelt entlasten. Es sollte über Alternativen für sämtliche Verpackungen nachgedacht werden. Viele Lösungen sind bereits einfach umzusetzen, zum Beispiel in der Obst- und Gemüseabteilung. Hier kann auch auf wiederverwendbare Beutel gesetzt werden, denn die Hemdchenbeutel werden oft weggeschmissen.

Warum nicht auch mehr Unverpackt-Lösungen mit Spendern für Grundnahrungsmittel wie Müsli, Nüsse, Reis und Nudeln? Die Händler könnten von den Produzenten die Produkte in Großmehrwegbehältern kaufen. Aber da sind sicher noch viele Hürden zu meistern. Lernen können die großen Supermärkte auf jeden Fall von den kleinen Unverpackt-Läden, die es mittlerweile fast in jeder Großstadt gibt.

Also schnapp dir zum Einkaufen ab sofort deinen Fair Trade produzierten Biobaumwollbeutel oder deine Jutetasche oder deinen Rucksack und nutze diese möglichst sehr lange. Über die dramatischen Folgen des Baumwollanbaus habe ich übrigens in einem vorherigen Beitrag berichtet.

Was denkst du über das komplette Verbot von Plastiktüten? Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht? Denkst du, dass wir die Verantwortung abgeben können und uns ausruhen dürfen, da wir alle keine Plastiktüten mehr verwenden? Ich freue mich auf deine Meinung. Schreib sie mir in deinem Kommentar.

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Ein Gedanke zu „Papiertüten & Co – Verschiebung der Ressourcenverschwendung?“

  1. Am besten ist immer noch Mehrweg! Auf meinem Weg zur Arbeit komme ich an einem internationalen Supermarkt vorbei, aus dem die Kunden mit unsäglich vielen dünnen Plastiktüten hinausgehen und somit bewusst ein Schlupfloch im Gesetz ausgenutzt wurde. Erst dann habe ich mich zu dem Gesetz belesen und erfahren, dass diese dünnen Plastikbeutel wie man sie in Gemüse und Obstabteilungen findet weiterhin kostenlos angeboten werden dürfen. Ich finde es dennoch super, dass die dickeren Plastiktüten im Einzelhandel nun überall Geld kosten. Mein Vorschlag ist alle kaufbaren Tüten im Einzelhandel, ob Plastik oder Papier inkl. der dünnen höher zu bepreisen. Erst, wenn es dem Verbraucher weh tut, wird er sich automatisch für Mehrweg entscheiden. Bewusster Konsum ist wichtig bei vielen anderen Alltagsgegenständen wie z.B. der Verzicht auf coffee2go-Becher und mehrfach verpackte Lebensmittel. Allein durch ein Verbot von Plastiktüten werden wir dem Plastik-Verpackungs-Einweg-Wahn nicht entkommen.

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