Nach der Schulzeit die Perspektive wechseln, ins Berufsleben hineinschnuppern und soziales Engagement zeigen: Das waren Sarah’s Motive für ihren weltwärts-Freiwilligendienst in Indien. Die umweltpolitische Organisation „The Other Media“ in Chennai ist jetzt für ein Jahr ihre Arbeitsstelle.
Was sie hier alles unternimmt, erfährst du auf ihrem Blog. Die Perspektive wechseln: Das heißt auch bisherige Auffassungen über Bord werfen zu müssen. Das hat Sarah am Beispiel „Unilever“ gemerkt.
Unilevers Doppelmoral zwischen Europa und Indien
Zwei Milliarden Menschen aus über 190 Ländern nutzen täglich ein Unilever-Produkt (Unilever). Bei mir gab es zum Beispiel in Deutschland keinen Filmeabend ohne mein Lieblingseis von Ben & Jerry’s. Die Trendmarke ist seit dem Jahr 2000 Tochter des Weltkonzerns. Dass auf den Eisbechern Werbung für Flüchtlingshilfe gemacht wird und zum Klimaschutz durch Kohleausstieg aufgefordert wird, hat mir beim Naschen auch gleich noch ein gutes Gewissen verschafft.
In der Marketingstrategie umd im Unternehmenskonzept von Unilever nehmen Social Responsibility und Nachhaltigkeit einen übergeordneten Stellenwert ein. Mit dem Unilever Sustainable Living Plan aus dem Jahr 2010 will sich Unilever für nachhaltiges Wachstum einsetzen. Im Jahr 2015 gewann Unilever-CEO Paul Polman die höchste Umweltauszeichnung der Vereinten Nationen: den „Champion of the Earth“- Award. Doch dieses positive Bild, das ich in Europa von Unilever hatte, habe ich während meines Freiwilligendienstes in Indien gründlich überdacht.
Kodaikanal, the „Gift of the Forest“ oder eher “Gift“ für den „Forest“?
Die umweltpolitische Organisation „The Other Media“ aus Chennai, bei der ich für zwölf Monate im Rahmen des weltwärts-Freiwilligendienstes arbeite, setzt sich für das Schicksal der südindischen Stadt Kodaikanal ein. Kodaikanal ist eine wunderschöne Bergstadt in den Western Ghats und ein beliebtes Urlaubsziel. Der Name bedeutet übersetzt „Geschenk des Waldes“. Nicht weit entfernt sind der Lake Kodaikanal sowie der Pambar Shola Forest, der zum Kodaikanal Wildlife Sanctuary gehört. In diesem Naturschutzgebiet sind mindestens 17 Tier- und Pflanzenarten heimisch, die auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten stehen.
Doch nicht umsonst gelten die Western Ghats als einer der 35 weltweit ausgewiesenen Biodiversitäts-Hotspotregionen mit einer hohen Artenvielfalt, die zugleich in besonderem Maße bedroht sind (Conservation International). Kodaikanals Bewohner und die Umwelt leiden seit über 30 Jahren unter der Quecksilber -Schadstoffbelastung , ausgehend von einer ehemaligen Thermometerfabrik, im Besitz von Hindustan Unilever. Boden- und Gewässerproben aus der Umgebung liefern stark erhöhte Quecksilberwerte, die erwiesenermaßen Ursache für gesundheitliche Schäden sind: Die World Health Organisation nennt Quecksilber-Vergiftung als einen der „Major Public Health Concerns“.
Wie konnte es in einem Naturschutzgebiet dazu kommen?
1983 wurde die Thermometerfabrik in Kodaikanal eröffnet. Ehemalige Arbeiter berichteten über die Zustände in der Fabrik, wo sie arglos mit den Quecksilberresten spielten, ohne dass sie über Gesundheitsrisiken und Schutzvorkehrungen Bescheid wussten. Im Jahr 2001 entdeckten Anwohner auf einem nahegelegenen Schrottplatz Schutthaufen zersplitterter Quecksilberthermometer, abgeladen von der Fabrik. Auch auf dem Fabrikgelände wurden illegale Ablagerungen gefunden. Auf Druck der staatlichen Behörden wurde die Fabrik geschlossen (kodaimercury.org). Was blieb, waren die Quecksilberrückstände.
Unilever weigert sich bis heute die Umwelt rund um Kodaikanal zu angemessen Standards von Quecksilber reinigen zu lassen. Zum Vergleich: In Deutschland gilt gemäß Bundesbodenschutzverordnung ein Quecksilber-Vorsorgewert von 0,1 mg/kg (Bodenart Sand). In Indien will Unilever einen Säuberungsstandard von 25 mg/kg durchsetzen. In einem ökologisch sensiblen Gebiet wie dem Pambar Shola Forest ist das inakzeptabel, und vor allem nicht vereinbar mit Unilevers Anspruch: „Wirtschaftliches Wachstum darf nicht auf Kosten der Menschen und des Planeten erfolgen.“ Wie kann Unilever diese Doppelmoral rechtfertigen:in Europa als Vorreiter der Nachhaltigkeit, in Indien als Verbreiter von giftigen Substanzen?
Auch die ehemaligen Arbeiter aus der Fabrik mussten für eine angemessene Entschädigung jahrelang kämpfen. Unter den gesundheitlichen Folgen leiden Familien in Kodaikanal noch heute und die Liste der durch Quecksilber verursachten Gesundheitsschäden ist lang: Organversagen, Zahnausfall, Neurologische Störungen uvm. Besonders schockierend ist die Auswirkung auf ungeborene Kinder im Mutterleib, die mit Fehlbildungen zur Welt kommen.
Erst eine lebhafte Kampagne rund um einen extra für Kodaikanal geschriebenen Rap-Song erzeugte den medialen Druck, der Unilever zu einer Einigung mit den Arbeitern zwang. Weltweit waren Unilever-Kunden durch „Kodaikanal Won’t“ auf diese Umweltsünde aufmerksam geworden und nahmen an einer Petition teil.
Die Kampagne „Unilever, räum auf!“
Der neue Rap „Kodaikanal still Won’t“ von Sofia Ashraf, TM Krishna and Amrit Rao soll jetzt auch den Kampf für die Umwelt beenden. Wenn sich wieder weltweit Menschen zusammentun, die Kampagne unterstützen und fordern: „Unilever, räum auf!“, kann sich der Konzern seiner Verantwortung und selbstauferlegten Verpflichtung zum Schutz der Umwelt nicht mehr entziehen.
Viele Organisation, darunter auch die Bürgerbewegung WeMove Europe haben sich schon der Kampagne angeschlossen.
Ich freue mich, wenn auch du einen Beitrag für Kodaikanal leisten willst: Unterschreibe die Petition, höre den Rap-Song „Kodaikanal still won‘t“ und erzähle deinen Freunden von Kodaikanal. Denn neben dem Perspektive wechseln habe ich hier in Indien auch in Sachen soziales Engagement noch etwas gelernt: Dass es manchmal ganz einfach ist und jeder kleine Beitrag zählt!
Weiterführende Informationen
Du möchtest mehr über die Umweltorganisation The Other Media erfahren? Dann schau auf der Webseite von The Other Media vorbei.
Titelbild: Kodai Hills von Hareey3. Lizenz: CC-BY-SA-4.0