Aus bestehenden Business-Strategien wie Bio-Produkten, Fair Trade, Cradle-to-Cradle und Sharing Economy entwickelte sich mit Zero Waste ein weiterer Ansatz nachhaltigen Konsumierens.
Körperseife und festes Shampoo statt Duschgel aus der Plastikverpackung, wiederverwendbare Baumwollbeutel für Obst und Gemüse statt Plastiktüten, selbstgemachte Zahnpasta, Bambuszahnbürste und Menstruationstasse statt Tampons – das sind nur einige Schlagworte für den noch jungen Ökotrend Zero Waste.
Zero Waste ist ein Trend der Neo-Ökologie und die Weiterführung des Cradle-to-Cradle Konzepts, ein Wirtschaftssystem ohne Abfall. Neo-Ökologie umfasst laut Zukunftsinstitut dabei nicht nur die klassischen ökologischen Themen, sondern auch die sozio-ökologischen Folgen unseres Handelns. Es ist immer mehr eine Ökonomisierung einst rein moralischer, ethischer oder ökologischer Fragen zu beobachten.
Precycling – Upcycling – Recycling
Den Cradle-to-Cradle Ansatz von Chemiker Michael Braungart und Architekt William McDonough gibt es schon seit mehr als 15 Jahren, doch schon lange sind nicht mehr nur Recycling oder Upcycling von Bedeutung. Jetzt wird Precycling, also erst gar keinen Müll entstehen zu lassen, ein zunehmend wichtiges Thema auf den Konsummärkten.
Restaurant ohne Müll
In Brighton (Großbritannien) gibt es seit 2014 ein Zero Waste Restaurant, das Silo, in dem alles darauf ausgerichtet ist keinen Müll zu produzieren. Gleichzeitig ist es auch Bäckerei, Rösterei und Brauerei. Gegründet wurde es von Doug McMaster, der zuvor 2012 „Silo by Joost“, das erste Zero Waste Restaurant in Melbourne ins Leben gerufen hatte. Gekocht wird im Silo regional-saisonal. Getränke werden in recycelten Marmeladengläsern serviert. Muss ich mir unbedingt merken und auch ausprobieren. Die Inneneinrichtung besteht komplett aus recycelbaren Materialien. Kernstück des Restaurants ist ein Schnellkomposter, der die biologischen Abfälle innerhalb von 24 Stunden in Kompost umwandelt. Klingt super.
Warum gibt es das (noch) nicht bei uns? Oder weiter gedacht: Warum können nicht alle Restaurants und Bars Zero Waste Ansätze wie die des Silos integrieren? Bisher kann ich in Deutschland wohl nicht mehr tun als meinen eigenen plastikfreien Glas- oder Edelstahltrinkhalm mit ins Restaurant nehmen, um wenigstens den Milchshake Zero Waste zu schlürfen.
Umdenken bei Verbrauchern
Verbraucher achten auch vermehrt darauf wie Konsumgüter hergestellt werden. So sinkt zum Beispiel die Akzeptanz von industriell verarbeiteten Produkten auf dem Foodmarkt immer mehr.
Auch mit dem To-Go Lifestyle sind viele Verbraucher nicht mehr einverstanden, denn dieser kostet viel Energie bei der Produktion. Beispielsweise entspricht der Energieverbrauch für die geschätzten 2,8 Milliarden Coffee-To-Go-Becher, die deutschlandweit jährlich im Müll landen, dem jährlichen Strombedarf einer Stadt mit 100.000 Einwohnern (Deutsche Umwelthilfe). Immer mehr Coffee-To-Go-Anbieter erlauben das Mitbringen eigener wiederverwendbarer Thermobecher. Einige gewähren sogar einen Preisnachlass.
Mit einer erhöhten Sensibilität für Ressourcenverschwendung möchten Verbraucher sich aus umweltschädlichen Systemen ausklinken.
Zero Waste Pionierin Bea Johnson und Bloggerin Shia vom Blog Wasteland Rebel leben es vor. Ihr Restmüll eines ganzen Jahres passt in ein kleines Schraubglas. Von Skeptikern kritisiert werden die beiden, weil sie auf den ersten Blick utopische Vorstellungen verkaufen. Auch bei den radikalen Zero Waste Verfechtern fällt Müll an, allerdings fast nur Müll, der recycelt oder kompostiert werden kann. Nichtsdestotrotz ist das ökologische Engagement und das was jede(r) theoretisch erreichen könnte, wenn sie(er) so leben würde wie die beiden, lobenswert und alles andere als negativ kritisierbar.
Anzahl der Unverpackt-Läden steigt
Das Einkaufen ohne Verpackungen begann in Deutschland 2014 mit dem Unverpackt Kiel und Original Unverpackt in Berlin. Europäisches Vorbild war das Unpacked in London. Heute gibt es mehr als 50 Unverpackt-Läden in Deutschland. Während die Idee des verpackungslosen Einkaufens bei uns erst in den letzten Jahren an Zustimmung gewann, gab es in den USA schon lange Bulkstores, wo die Verbraucher sich die losen Lebensmittel aus Bulks in mitgebrachte Behälter abfüllen können.
Verpackungswahnsinn im Onlinehandel
Neben dem Foodmarkt bietet der Onlinehandel ein großes Potential für Zero-Waste-Konzepte. Laut einer Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney gehört Deutschland zu den fünf wachstumsstärksten Märkten für Onlinegeschäfte. Der gestiegene Onlinehandel lässt sich auch am aktuell steigenden Konzernergebnis der Deutschen Post erkennen. Mit steigenden Paketzahlen wachsen auch die Verpackungsberge. Eine wunderbare Zero Waste Lösung für den Verpackungswahnsinn im Onlinehandel bietet seit 2014 das Unternehmen RePack aus Finnland.
Das ist aber bisher leider nicht sonderlich bekannt oder akzeptiert. RePack stellt recycelbare Verpackungen her, die bis zu 20-mal wiederverwendet werden können. Die erhaltene Verpackung wird dann gefaltet wieder in einen Briefkasten gesteckt und kostenfrei an den Absender geschickt
Natural Branding: Laser-Logo für Obst und Gemüse
Bioprodukte und Zero Waste scheinen bisher kaum vereinbar und wenn nur in reinen Bioläden. Das „Natural Branding“, bei dem das Bio-Siegel mittels Laser auf das Obst und Gemüse aufgebracht wird, könnte die Plastikverpackungen im konventionellen Handel ersetzen. Seit März 2017 ist es in Filialen von Penny und Rewe in Nordrhein-Westfalen im Test. Es ist noch nicht klar, wann und ob sich das überall durchsetzt. Unklar ist auch die Akzeptanz beim Verbraucher. Schädlich ist es nicht, denn es werden mittels eines Lasers lediglich die Pigmente der äußersten Schalenschicht abgetragen. In Neuseeland und Australien gibt es diese Methode schon seit 2009.
Mehr Mehrweg?
Es wäre zudem wünschenswert, wenn es eine größere Auswahl an Mehrwegprodukten in Supermärkten oder auch Discountern gäbe. Bisher lassen sich nur Milch, Sahne und Joghurt Zero Waste einkaufen und das auch nicht überall. Das geringe Angebot an Mehrwegglas im Kühlregal lässt sich möglicherweise auf logistische Gründe zurückführen. Der Transport von Produkten in Mehrwegglas braucht mehr Kraftstoff, unter Umständen sind mehr Transporte nötig und auch die Leerguttransporte müssen mitberücksichtigt werden. Da bleibt zu überlegen, ob der ökologische Nutzen dann noch gegeben ist.
Ist ein Leben komplett ohne Müll möglich?
Nein. Zero Waste ist im Alltag nicht immer realisierbar, teilweise mit Verzicht und Aufwand verbunden und auch (noch) nicht für jeden alltagstauglich. Wir müssen uns auf keinen Fall schlecht fühlen, wenn es nur Less Waste und Less Plastic ist. Jeder Schritt ist ein Schritt zu mehr ökologischem Bewusstsein.
Zusammengefasst: Auch wenn die selbstgemachte Zahnpasta oder die Menstruationstasse nichts für dich ist, kannst du trotzdem in deinem Alltag eine erhebliche Menge Müll reduzieren und leistest somit einen nachhaltigen Beitrag zum Umweltschutz. Seinen eigenen Konsum kritisch hinterfragen kann jeder. Denk immer daran: Die Herstellung neuer Produkte und somit auch Verpackungen kostet wertvolle Ressourcen wie Energie, Wasser und Rohstoffe.
Vorsicht! Zero Waste als Marketingstrategie
Leider wird Zero Waste von Unternehmen immer häufiger auch als öffentlichkeitswirksame Marketingstrategie genutzt, um Nachhaltigkeit zu demonstrieren. Das bedeutet, immer achtsam sein und prüfen, ob das Unternehmen auf einem ganzheitlichen Niveau nachhaltig ist. Einige Produkte, die eine Cradle-to-Cradle Zertifizierung haben, das heißt die vollständig wiederverwertbar oder in deren Bestandteile zerlegbar sind, findest du zum Beispiel in dem Onlineshop cradlelution.
Starke Argumente für einen (plastikfreien) Zero Waste Lifestyle
Minimalismus: Das Bewusstsein für das Notwendige wird gestärkt. Es macht Spaß Zero Waste zu leben und auf Produkte bewusst zu verzichten, weil du merkst, dass du diese nicht vermisst.
Gesundheit: Der Verzicht auf Plastik ist gut für deine Gesundheit, denn die in Plastik enthaltenen Schadstoffe (Bisphenol A, Phthalate und Flammschutzmittel) sind krebserregend und zum Teil hormonwirksam. In meinem Beitrag über Plastik vermeiden erfährst du mehr über die Schadstoffe und deren Wirkung.
Vorbild: Je mehr Menschen eine ökologische Lebensweise ausprobieren und befürworten, desto mehr setzen wir Hersteller unter Druck nachhaltige Produkte auf den Markt zu bringen und die Unternehmenskultur zu überdenken.
Auch wenn es den einen oder anderen Kritiker gibt, glaube ich weiterhin an Zero Waste und den Cradle-to-Cradle Ansatz und hoffe, dass noch mehr Menschen und vor allem Unternehmen diesen neo-ökologischen Trends folgen. Zukünftig wird ein verantwortungsvolles Wirtschaften, das Rücksicht auf die Ressourcen der Natur und des Menschens nimmt, im Vordergrund stehen.
Umwelt-Mantra für den Monat September
Cradle-to-Cradle und Zero Waste sind ökoeffektive Trend-Konzepte, die den Gedanken der Kreislaufführung beziehungsweise des Precyclings verfolgen und zukunftsweisend sind. Eine völlig müllfreie Welt ist Utopie, aber dank der Zero-Waste und Cradle-to-Cradle Bewegung kann das Bewusstsein für langlebige Produkte und nachhaltige Verpackungskonzepte weltweit gestärkt und weiterentwickelt werden. Less Waste, less Worries!
Weiterführende Informationen
Auf dem Blog Wasteland Rebel findest du eine umfangreiche Liste von Unverpackt-Läden.
Jetzt bist du gefragt: Hat die Zero-Waste und Cradle-to-Cradle Bewegung Zukunft und wie kann eine breitere Masse der Gesellschaft mit Ökotrends erreicht werden? Lebst du selber Zero Waste? Schreib es mir in deinem Kommentar. Ich freue mich auf deine Meinung und deine Erfahrungen.
Titelbild: © Anja Blumschein
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Hi Anja,
ich befasse mich schon eine ganze Weile mit der Idee, wie man es schafft, gute, nachhaltige Ideen an Mann oder Frau zu bringen. In unserer Gesellschaft wird ja viel über Angst gesteuert (man denke nur daran, was man angeblich alles haben muss, weil …). Aber auch über Wohlgefühl (wenn man sich mal die Werbung anguckt). Um mehr Menschen zu erreichen, muss man es, glaube ich, hinkriegen, dass sie meinen, sie tun etwas Gutes und das wird auch noch gesehen und honoriert. Weiß zwar noch nicht so genau, wie das auszusehen hat, aber da gehen meine Gedanken so hin.
Liebe Grüße
Hallo Sabine,
danke für deinen Kommentar 🙂 ja, das ist nicht immer einfach Menschen von nachhaltigen Lebensweisen und Produkten zu überzeugen. Viele denken auch, dass das immer gleich teurer ist, wenn es ökologisch und fair ist. Manche halten nichts von umweltbewussten Alternativen, wie zum Beispiel verpackungslos einkaufen, oder denken, dass es global gesehen nichts bringt – das ist schade. Aber es bewegt sich zu mindestens ein bisschen. Die Unternehmen und der Einzelhandel sind hier auch gefragt und sollten mehr nachhaltige Alternativen für den Mainstream-Konsument anbieten.
Liebe Grüße
Anja
Hi Anja, danke für deinen tollen Beitrag.
Ich denke, dass Zero Waste ein fester Bestandteil des Zeitalters wird, das auf das Plastikzeitalter folgt.
Seit Plastik da ist, haben wir immer nur die Vorteile genossen, aber jetzt, beginnen wir zu kapieren. Bis hierher sind wir mit Vollspeed auf die 370 Mio. Tonnen Plastik, die jedes Jahr produziert werden, zugerast.
Die smarten Leute gehen jetzt schon ein paar Schritte zurück und nutzen wieder Dinge, die vor dem Plastikzeitalter normal waren: Holzzahnbürsten, plastikfreie Trinkflaschen… Alle anderen werden in den nächsten Jahrzehnten folgen.
Zero Waste ist kein One-Hit-Wonder und das ist auch dringend nötig, damit wir das Plastikproblem lösen.
LG Christoph
Hallo Christoph,
danke für deinen Kommentar und die lieben Worte. Es freut mich, dass immer mehr Menschen umweltbewusst leben wollen.
Liebe Grüße
Anja
Hallo Anja,
zerowaste und c2c sind genial. Eine weitere Strategie ist degrowth. Entstanden aus der grundlegenden Wachstumskritik der 70er-Jahre, findet eine Konferenz an wechselnden Orten statt: https://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Degrowth-Konferenz . Es wurden bereits viele Papers in wissenschaftlichen Magazinen publiziert: https://timotheeparrique.com/academic-articles/ . Postwachstumsökonomie setzt auf mehreren Ebenen an und beinhaltet Wachstumsrücknahme sowie einen nachhaltigen Lebensstil. Das gibt ein bißchen Hoffnung, den Klimawandel und noch schlimmere Schädigungen an der natürlichen Vielfalt vielleicht zumindest vorerst bremsen zu können.
Hallo,
ja, Postwachstumsökonomie ist auch ein spannender Ansatz. Vielen Dank für die Ergänzung zum Thema und die Links. Ich beschäftige mich auch schon seit einer Weile mit Gemeinwohl-Ökonomie. Das geht ja auch in die Richtung.
Liebe Grüße
Anja