Etwa 7,3 Milliarden Menschen leben heute auf der Welt. Etwa 1 Milliarde leidet täglich Hunger, obwohl weltweit Lebensmittel für 12 Milliarden Menschen produziert werden. Der deutsche Dokumentarfilm „Taste the Waste“ von Valentin Thurn aus dem Jahr 2011 machte das Thema Lebensmittelverschwendung für das breite Publikum zugänglich. In diesem Beitrag erfährst du was wir als Endverbraucher beachten müssen, um weniger Lebensmittel wegzuwerfen.
Der Endverbraucher muss lernen umzudenken
Die Europäische Kommission hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt bis 2020 weggeworfene Lebensmittel um 50 % zu reduzieren. Über die Strategie zur Umsetzung bin ich gespannt. Momentan reden wir viel über den Sinn oder Unsinn von Verpackungsabfällen, aber auch die unnütze Lebensmittelverschwendung muss in die Köpfe der Verbraucher. Es ist das gleiche wie mit den Plastiktüten. Nur wenn der Verbraucher im übertragenen Sinne bereit ist die krumme Gurke zu kaufen, dann erst hört dieser Lebensmittelverschwendungswahnsinn auf.
In den Supermärkten erwartet der Kunde volle Regale und eine große Warenvielfalt. Der Verbraucher ist demnach mit verantwortlich, dass der Handel ein Überangebot von Lebensmitteln vorhält. In Deutschland landen beispielsweise 25 % der Backwaren auf dem Müll, weil Supermarktketten die Filialen zum Teil dazu verpflichten bis Ladenschluss volle Regale zu haben.
Der Handel entscheidet mit seiner Beschaffungspraxis auch darüber wie viel Gemüse als unverkäuflich auf den Äckern verbleibt. Die REWE Gruppe bietet laut ihrer Webseite seit Oktober 2013 unter der Eigenmarke „Wunderlinge“ Obst und Gemüse an, dass trotz besonderem Aussehen gut in Qualität und Geschmack ist. Die krummen und eigenwillig aussehenden Kartoffeln und Möhren werden zu einem günstigeren Preis angeboten. Oft können Produzenten Gemüse und Obst, dass von der Norm abweicht im Handel sonst gar nicht verkaufen.
Interessant finde ich auch die Initiative von Bäckereien, die ihr gesamtes Sortiment an Brot, Brötchen und Kuchen zum halben Preis verkaufen. Ich selbst sehe jeden Tag eine Filiale auf dem Weg zur Arbeit in Frankfurt am Main, die diesen Service in großem Maßstab neben ihrem regulären Verkauf anbietet.
Im Sinne nachhaltigen Konsums sollte die Wertschätzung für Lebensmittel in allen Teilen der Bevölkerung gesteigert werden. Lebensmittel sind Mittel zum Leben und so sollten wir sie auch behandeln. Oft ist das Verderben von Lebensmitteln Ergebnis einer falschen Lagerung oder eines falschen Transportes.
Jedes Jahr wären in Deutschland 10 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle vermeidbar
Über 18 Millionen Tonnen Lebensmittel werden in Deutschland jährlich weggeschmissen, wovon bereits heute 10 Millionen Tonnen vermeidbar wären (WWF Deutschland, 2015). Diese 10 Millionen Tonnen sind umgerechnet mit einem Ausstoß von fast 22 Millionen Tonnen Treibhausgasen verbunden.
Von den weggeworfenen Lebensmitteln sind über 60 % auf die Wertschöpfungskette vom Produzenten bis zum Großverbraucher zurückzuführen. Etwa 40 % liegen beim Endverbraucher. Insbesondere bei Gemüse, Obst, Backwaren und Speiseresten ließen sich unnötige Abfälle vermeiden.
Insgesamt liegt die globale Lebensmittelverschwendung bei etwa 30 bis 40 % unabhängig davon, ob es sich um ein Industrieland oder ein Entwicklungsland handelt. In Südamerika, Afrika und Asien sind die Ernte-, Nachernte- und Prozessverluste tendenziell höher als zum Beispiel in Nordamerika und Europa. Je höher eine Region auf der Welt wirtschaftlich entwickelt ist, desto höher sind die Verluste beim Endverbraucher.
Ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum suggeriert uns, und ich zähle mich auch dazu, das Produkt wegzuwerfen. Oft ohne zu prüfen, ob die Milch oder der Joghurt noch genießbar sind. Warum ist es aber erst dazu gekommen, dass das Lebensmittel nicht vor diesem Datum verzehrt wurde?
Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Verfallsdatum
Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist seit 1981 in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Der Ernährungsminister Christian Schmidt setzt sich für die Abschaffung dieses Mindesthaltbarkeitsdatums ein. Schmidt fordert, dass auf den Verpackungen ein echtes Verfallsdatum gedruckt werden soll, nach dem diese Produkte tatsächlich nicht mehr genießbar sind.
Die Hersteller kalkulieren beim Mindesthaltbarkeitsdatum zu große Sicherheitspuffer, so dass wir als Verbraucher aus Unsicherheit dazu verleitet werden Produkte schon wegzuwerfen bevor diese überhaupt schlecht sind.
In der EU werden jährlich insgesamt 89 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, ein Großteil, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Darunter auch lange haltbare Lebensmittel wie Nudeln, Reis oder Kaffee. EU-Mitgliedsländer, darunter Schweden und die Niederlande, wollen die Liste der Lebensmittel ausweiten, für die nach EU-Recht kein Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben werden muss.
Das Mindesthaltbarkeitsdatum (im Englischen: best before) sagt lediglich aus, dass bis zu dem bestimmten Tag vom Hersteller die Qualität in Farbe, Geschmack und Nährwertgehalt garantiert wird. Anders sieht es bei Frischwaren aus: Hier handelt es sich um ein Verfallsdatum (im Englischen: use by).
Viele Verbraucher haben den Bezug zu Lebensmitteln verloren. Statt ihren eigenen Sinnen zu vertrauen, verlassen sich die Verbraucher auf einen Aufdruck der Industrie. Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn etwas schlecht riecht, ranzig schmeckt oder schimmelt, sollte man es nicht mehr essen. Früher ging es anscheinend auch ohne Mindesthaltbarkeitsdatum.
In den Industrienationen werden laut Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinigten Nationen (FAO) hauptsächlich Gemüse, Obst und Brot weggeschmissen – Lebensmittel, die ohnehin kein Mindesthaltbarkeitsdatum aufweisen müssen.
Das Mindesthaltbarkeitsdatum spielt anscheinend nicht die übergeordnete Rolle bei der Lebensmittelverschwendung.
Viel entscheidender ist doch das eigene Einkaufsverhalten. Wer zuviel einkauft, verliert den Überblick und natürlich laufen dann Produkte ab, bevor wir diese überhaupt verwerten können.
Fünf einfache Tipps und Tricks, wie du in Zukunft weniger Lebensmittel wegwirfst
#Tipp 1: Am besten kaufst du nur die Produkte, die du in den nächsten zwei bis drei Tagen verzehren möchtest. Schreibe dir eine Einkaufsliste und plane dein Mittag- oder Abendessen. So vermeidest du Spontankäufe. Ich nutze als Einkaufsliste die App „Denkst du daran“. Diese ist auf mehreren Endgeräten synchron und du kannst mit jemanden zusammen einkaufen und der andere sieht was du schon in deinen Einkaufskorb gelegt hast. Das ist sehr praktisch.
#Tipp 2: Koche die Portionen so, dass du das Gericht möglichst am Zubereitungstag aufessen kannst. Aus eigener Erfahrung essen wir aufgehobene Lebensmittelreste meist nicht am Folgetag.
#Tipp 3: Obst, das bereits unschöne Stellen hat, eignet sich immer noch super für Obstsalat oder Smoothies. Eine richtig braune Banane ist zum Beispiel auch bestens für die leckersten frittierten Bananen geeignet. Erst dann haben sie die richtige Süße und schmecken genau wie im Chinarestaurant. Auch ein Bananenbrot ist umso leckerer, wenn die Bananen überreif sind.
#Tipp 4: Vertraue auf deine eigenen Sinne – riechen, schmecken, sehen. Du wirst nicht gleich an einer Lebensmittelvergiftung sterben, wenn du deine Frischmilch noch trinkst, obwohl das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist.
#Tipp 5: Verwende Abfallprodukte vom Gemüse putzen. Zum Beispiel kannst du aus den Schälresten von Spargel eine sehr leckere Spargelcremesuppe zubereiten.
Beobachte einfach einmal selbst dein Einkaufverhalten und achte darauf wie viele Lebensmittel du in die Biotonne wirfst.
Bist du für die Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums und die Verwendung echter Verfallsangaben? Welche Tipps hast du noch, um weniger Lebensmittelabfälle zu produzieren? Her damit in den Kommentaren!
Weiterführende Informationen:
Hier kommst du zur Studie vom WWF Deutschland (2015): Das große Wegschmeißen. Vom Acker bis zum Verbraucher: Ausmaß und Umwelteffekte der Lebensmittelverschwendung in Deutschland.
Die Einkaufslisten-App „Denkst du daran“ findest du hier.
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Titelbild ©TwilightArtPictures – stock.adobe.com
Hallo Anja!
Das ist ein wichtiges und hochspannendes Thema, über das du berichtest. Ich habe demnächst vor, einen ähnlichen Artikel zu verfassen, weil man gar nicht oft genug darauf hinweisen kann, was die Lebensmittelverschwendung alles anrichtet.
Wie wir heutzutage mit unserer Nahrung umgehen, ist beispiellos in Schizophrenie und Achtlosigkeit. Man braucht nicht einmal genau hinzuschauen, um sich das Ausmaß dieser Verschwendung klarzumachen – und wenn man dann noch einen klitzekleinen Schritt weiterdenkt und sich die vielen, vielen Menschen auf der anderen Seite der Erdkugel vorstellt, die Hunger leiden müssen, während wir schlicht nicht wissen, wohin mit dem ganzen Essen, dann muss uns zwangsläufig klarwerden, dass hier irgendwas gehörig schiefläuft.
Mein Tipp für Lebensmittelverarbeitung: Keine fertig abgepackten Sachen kaufen, immer selber kochen und backen. Das erhöht den Respekt vor dem Essen ungemein – und Dinge, vor denen man Respekt hat, die wirft man nicht einfach weg.
Liebe Grüße
Jenni
Liebe Jenni,
danke für deinen Kommentar. Das stimmt, wenn man selber kocht, dann hat man einen engeren Bezug zum Essen. Ich koche sehr gerne und merke dann auch, dass mir die Lebensmittel wichtiger sind als wenn ich zum Beispiel unterwegs schnell etwas esse. Beim selber kochen spielt Genuss und Vorfreude auf das Gericht eine große Rolle. Ich bin auch auf deinen Artikel gespannt!
Liebe Grüße
Anja